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Gedanken zum Leben

Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος, καὶ ὁ λόγος ἦν πρὸς τὸν θεόν, καὶ θεὸς ἦν ὁ λόγος. Οὗτος ἦν ἐν ἀρχῇ πρὸς τὸν θεόν. Πάντα διʹ αὐτοῦ ἐγένετο, καὶ χωρὶς αὐτοῦ ἐγένετο οὐδὲ ἕν. (Joh 1, 1-5).

Das griechische Wort "λόγος" bedeutet unter anderem Wort, Rede, Beschreibung, Redeerlaubnis, Denkkraft oder Vernunft, ja sogar Erwartung, Vorschlag und Gerücht. Was wir im Johannes-Prolog mit "Wort" ins Deutsche übersetzt finden, ist also semantisch gesehen das "Wort" im umfassenden Sinne schlechthin: Das Element der Sprache als Denkkraft und Essenz der Vernunft. Ludwig Wittgenstein (1889-1951) schreibt im Tractatus Logico-Philosophicus: "Was sich überhaupt sagen lässt, lässt sich klar sagen; und wovon man nicht reden kann, darüber muss man schweigen." Ich halte es lieber mit dem Evangelisten, der das Wort als das ursprünglich Seiende darstellt.

Wie tiefgreifend die Sprache das individuelle Bild der Welt beeinflusst, zeigen neue sozio-psychologische Studien. So spiegelt sich in der individuellen Erfahrung die von Johannes dargelegte Kosmologie, dass "nichts wurde ohne das Wort" (respektive die Rede, die Beschreibung, die Vernunft, usw.). Erst die Sprache erlaubt uns, unsere Vorstellung der Welt so zu konstruieren, dass wir sie geordnet wahrnehmen können. Durch dieses sprachbehaftete Grundgerüst der Ratio gefiltert, nehmen wir die Welt wahr. Die Frage, ob und wie die "wirkliche Welt" existiert, rückt damit in die zweite Ebene, und lässt zunächst Raum für die Darstellung, wie unser Filter arbeitet, nach dem wir diese mögliche Welt ordnen.

Mit anderen Worten: unser Weltbild, unser Gesellschaftsbild, unser Menschenbild, sind die primären meinungsbildenden Instanzen, vor denen wir unsere Wahrnehmung des Äußeren abgleichen und einordnen. Natürlich sind Wahrnehmung und Bilder interdependent, doch die Einsicht, dass eine objektive Wahrnehmung der Welt (jenseits wissenschaftlicher Messung, die sich wiederum nur subjektiv wahrnehmen und in letzter Instanz deuten lässt) nicht möglich ist, ist die wichtigste Einsicht auf einem Weg zu tolerantem Miteinander in einer pluralen Welt.

Deshalb stellt für mich die Reflexion über die Konditionalität der Wahrnehmung und Weltdeutung den Anfang dar, aus dem sich erst ethische Aktionsradien ableiten lassen, in der Hoffnung, diese so auf ein vernünftiges und möglichst umfassend akzeptiertes ethisches Fundament gründen zu können (siehe dazu auch die Deklaration der Stiftung Weltethos).

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Letzte Aktualisierung an diesem Webauftritt: 25. Dezember 2012